Oder Brot und Spiele. Schon im alten Rom wusste man wie das Volk ruhig gehalten werden kann. Regelmäßige Getreidespenden und aber auch die Gladiatorenkämpfe oder Wagenrennen haben den gemeinen Bürger von politischen Entscheidungen abgelenkt. Die adligen Politiker wussten also den Sport zu instrumentalisieren.

Immer wieder hört man die Forderung, dass Sport und Politik zu trennen seien. Geht das aber?

Nein. Denn Politik und Sport gehörten schon immer zusammen. Schon immer wurden große sportliche Ereignisse auch politisch benutzt. Die olympischen Spiele 1936 waren ein Paradebeispiel, Hitler präsentierte der Welt sein Deutsches Reich, erstmals übrigens im TV. Vorausgegangen waren Proteste und Aufrufe zum Boykott, auch wegen Hitlers Umgang mit den Juden. Mit Jesse Owens wurde ein dunkelhäutiger US-Athlet der Star der Spiele, der Leichtathlet gewann 4 Goldmedaillen. Jesse Owens musste zuvor überredet werden überhaupt an den Spielen teilzunehmen, er wollte aus Protest gegen Hitler nicht nach Berlin reisen. Seine Teilnahme und seine Siege aber waren deutlich größer als eine Nichtteilnahme hätte sein können.

Viele Vereine, die um 1900 gegründet worden sind, entstanden aus studentischen Bewegungen, aus politischen Beweggründen heraus. Der große FC Barcelona wurde vom Schweizer Joan Gamper gegründet, weil er in den anderen katalanischen Vereinen als Ausländer nicht mitspielen durfte. Der Name “Football Club Barcelona” unterstrich die international Zugewandtheit des neuen Vereins, dessen Gründungsmitglieder zur Hälfte aus Ausländern und Protestanten bestand. Der berühmte Ausspruch “Mes que un Club” hat für die katalanischen Anhänger auch eine politische Bedeutung und steht unter anderem für das Streben nach der Unabhängigkeit Kataloniens. Wer sich die Rolle des FC Barcelonas im politischen Spektrum anschauen möchte, dem sei dieser Link ans Herz gelegt:

https://www.barcawelt.de/sonstiges/mes-que-un-club-ursprung-bedeutung-und-umsetzung-des-credos-des-fc-barcelona/

Viele Vereine haben sich während der Nazi-Diktatur unrühmlich verhalten und das Verbrecher-Regime unterstützt. Die Aufarbeitung dieser Zeit zieht sich zum Teil bis heute. Die Frankfurter Eintracht, die vor dem Weltkrieg noch den Spitznamen “Schlappekicker” bekommen hat, gehört genauso dazu. Die Schuhwarenfabrik J. & C. A. Schneider stellte die fußballspielenden Sportler ein und gewährte ihnen sehr flexible Arbeitszeiten. Damals, in den 1920er-Jahren war der Berufsfußball noch verboten. Die Inhaber des Unternehmens waren jüdischen Glaubens. Auch der Ausdruck “Juddebub”, wie die Sportler der Eintracht zeitweise genannt wurden, stammte daher. Später mussten die drei Inhaber auf Druck der NS die Fabrik zum Schleuderpreis verkaufen, alle drei konnten ins Ausland flüchten. Der Aufstieg der Eintracht zu einem großen Verein ist auch zu einem großen Teil dieser Schuhwarenfabrik geschuldet und damit den Brüdern Adler und Walter Neumann.

https://www2.klett.de/sixcms/media.php/229/DO01_3-12-430070_Kap07_online_4k27rz_frankf_schuhfabrik.pdf

Der Sport und damit die Vereine und Verbände haben eine riesige Strahlkraft. Die Sportler werden zu Idolen von Millionen Fans, von Kindern und Heranwachsenden. Kinder werden in die Obhut der Trainer und Betreuer gegeben, die charakterliche Ausbildung findet neben dem Elternhaus und der Schule auch in den Vereinen statt. Selbstverständlich ist es hier wichtig den Kindern Werte wie Toleranz, Offenheit und Nächstenliebe mitzugeben. Das passiert in der Regel aber nicht übers Reden, sondern wird im Sport so gelebt! Mein Teampartner ist existenziell für meinen Sport, ohne ihn kann ich nicht Sport treiben. Meinen Gegner muss ich achten, denn ohne ihn gibt es keinen Wettkampf. Woher meine Mitspieler kommen, welche Religion oder Hautfarbe sie haben spielt keine Rolle. Sport verbindet. Und Sportler sind Vorbilder. Weniger durch reden, viel besser durch Taten können sie Millionen von Nachahmern finden. Deshalb ist Haltung wichtig. Deshalb ist Politik und Sport untrennbar.

Der Wolfsgruß bei der EM von Demiral, die Bilder von Gündogan und Özil mit dem türkischen Diktator Erdogan, die One-Love-Binde bei der unsäglichen WM in Katar, das Aufkaufen von Sportvereinen durch staatliche Unternehmen: es gibt auch viele negative Beispiele. Und die müssen dann auch benannt werde. Instagram-Storys von zB Nmecha mit homophoben Äußerungen, Kevin Behrens mit seinem schwulenfeindlichen Äußerungen. Ausgerechnet Behrens, der von einem Verein bezahlt wird, der viel Arbeit und Engagement in die Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Liebe investiert. Übrigens einem Verein, der von einem Unternehmen finanziert wird, an dem das Land Niedersachsen 20,2 Prozent der Anteile hält. Also über eine Sperrminorität verfügt und damit nicht unwesentlich Einfluss nehmen kann. Volkswagen und der VfL sind also auf mehreren Ebenen ein gutes (oder schlechtes, ganz wie man will) Beispiel für Politik im Sport.

Von den alten Römern, über Hitler, einen Schuhwarenfabrik und dem Land Niedersachsen. Die Beispiele sind vielfältig und man könnte noch viel weiter ausholen. Über die sozialen Programme viele Vereine berichten. Über Christian Streich, Peter Fischer oder dem BSW-Politiker Oliver Ruhnert, bis vor kurzem noch Chefscout von Union Berlin. Über die rechte Fankurve von Lazio Rom. Der Kicker-Artikel stammt aus 2013, geändert hat sich aber nicht viel. Auch das ist übrigens Politik im Sport. Wenn auch wieder ein negativ-Beispiel. Aber auch hier laufen seit Jahren Programme um die Denkweisen dort zu ändern. https://www.spiegel.de/sport/fussball/rechte-fans-rassismus-im-italienischen-fussball-a-933113.html

Schließen möchte ich mit den Worten des leider verstorbenen Frankfurter Fans Helmut “Sonny” Sonneberger: bleibt wachsam. Seine Lebensgeschichte ist das beste Beispiel für die Zusammengehörigkeit von Sport und Politik.

https://klub.eintracht.de/news/eintracht-frankfurt-trauert-um-helmut-sonny-sonneberg-148053